Rückschlag: Das Transsexuellengesetz wird bestätigt
Am 17. Oktober 2017 wurde es beschlossen, am 24. November wurde es bekannt gegeben: Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat die Verfassungsbeschwerde einer Person nicht zur Verhandlung angenommen, die die Einholung von Sachverständigengutachten zur Änderung des Vornamens und des Personenstandes (weiblich/männlich) als verfassungswidrig abgelehnt hatte. Die Entscheidung des BVG ist enttäuschend und sie ist ein Rückschlag im Kampf um die Abschaffung des Transsexuellengesetzes (TSG), das nicht mehr zeitgemäß ist.
Der Hintergrund: In der Regel verlangt das zuständige Amtsgericht des jeweiligen Bundeslandes im Rahmen der Umsetzung des Transsexuellengesetzes (TSG) zwei Gutachten, die bestätigen sollen, dass die entsprechende Person "transsexuell" ist. Die beschwerdeführende Person sah hierin zu Recht, wie viele meinen, eine Pathologisierung der transidenten Menschen. Das BVG hingegen sah in der Begründung seiner Entscheidung die beiden Sachverständigengutachten als "Mittel des objektiven Nachweises der rechtlichen Voraussetzungen des Geschlechtswechsels" an (www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-103.html; Zugriff am 27.11.2017). Und das BVG führte Probleme mit dem TSG letztlich darauf zurück, dass es möglicherweise "unzulässig angewendet wird" (Quelle: s.o.). Die Entscheidung des Gerichts "besagt nicht und beruht auch nicht auf der Annahme, Transsexualität sei ein krankhafter Zustand oder eine psychische Störung" (Quelle, s.o.).
Das Urteil des BVG steht in krassem Widerspruch zu den Erfahrungen mit dem TSG und zu den Ergebnissen in dessen praktischer Anwendung.
Denn: Ein "objektiver" Nachweis sind die Gutachten nicht. Transidente Menschen sind nicht krank, die meisten transidenten Menschen benötigen garkeine Psychotherapie. Sie können selbst am besten sagen, welche Identität sie haben. Diejenigen von ihnen, die sich an Gutachter_innen wenden, werden zumeist in ihrer Selbsteinschätzung bestätigt. Das hat der Kinder- und Jugendpsychiater Bernd Meyenburg statistisch untermauern können: Die Gutachten bestätigen nur das, was schon bekannt ist. Die Gutachten sind daher meines Erachtens Geldverschwendung und schädigen nur die transidenten Menschen, die zum großen Teil die Gutachter_innen mit ca. 1000-3000 € selbst bezahlen müssen. "Objektiver Nachweis"? Davon kann keine Rede sein!
Und dann: Die Pathologisierung entsteht nicht erst durch eine "unzulässige" Anwendung des Gesetzes, indem die Gutachter_innen eine therapeutische Intervention aus dem Gutachten ableiten. Das Problem ist: Die Sachverständigen sind fast gänzlich Psychotherapeut_innen bzw. Psychiater_innen. Wieso muss ein Mensch zur Psychiater_in gehen, der seinen Eintrag im Pass ändern will? Was für Auswirkungen hat das auf einen Menschen, der keine Erfahrungen mit der Medizin / Psychiatrie hat? Das TSG sorgt auf diese Weise potentiell für psychische Probleme, es macht potentiell krank.
Und schließlich: Welche Instanz soll denn das TSG abschaffen, wenn nicht das BVG oder der Gesetzgeber? Gegen Verfahrensabläufe des TSG zu klagen bringt garnichts, da man sich im Klein-Klein der Anwendungen verheddert und keine Grundsatzentscheidungen gefällt werden können. Das BVG hat starken Anteil an einer Verbesserung des Umgangs mit transidenten Menschen, indem das TSG an verschiedensten Stellen mit Grundsatzentscheidungen ausgehebelt wurde. Warum wird dieser Weg nicht weiter beschritten? Der Bundesrat hat die Bundesregierung am 2. Juni 2017 aufgefordert, das TSG aufzuheben und dafür ein modernes Gesetz zu schaffen. Hier sollte weitergearbeitet werden.
Den transidenten Menschen bleibt nichts anderes übrig, als für ihre Menschenwürde weiterzukämpfen. Warum ist das so mühsam?
Es grüßt Euch alle,
Livia
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